Warum man mit Parkinson ein besserer Poker-Spieler wird

Diesen Artikel hat Marco Hamburger für LinkedIn geschrieben und ich durfte als Co-Autorin ein wenig dazu beisteuern.

Es geht um das Parkinsonsymptom des Maskengesichts.

Marco Hamburger hat die gemeinnützige Parkinson Organisation „KillParkinson“ gegründet, die sich mit der Erfassung von Gesundheitsdaten aus dem Bereich Parkinson beschäftigt.
www.kill-parkinson.org

Warum man mit Parkinson ein besserer Poker-Spieler wird

Mit einem Kompliment hat mich ein Kollege im Job jahrelang immer wieder gelobt: „Es sei bemerkenswert, wie wenig ich mir auch in angespannten Diskussionen mit Kunden, Kollegen oder Management meine Emotionen ansehen lasse. Das finde ich beneidenswert und wünsche ich mir auch.“ 

Was er damals natürlich nicht wusste und ich ehrlich gesagt die ersten Jahre nach meiner #Parkinsondiagnose 2017 ebenfalls nicht: 

Dieses Pokergesicht ist tatsächlich keine positive Errungenschaft eines jahrelangen Trainings, das ich erfolgreich absolviert habe. 

Vielmehr ist es, zumindest im Rahmen meiner aktuellen sehr subjektiven Skala, eines der fiesesten Symptome der Erkrankung. Das sogenannte #ParkinsonGesicht, oft auch als #Maskengesicht oder #Hypomimie bezeichnet, ist eines der charakteristischen und nach außen auffälligsten Merkmale, die bei Personen mit Parkinson oft auftreten.

Kurz zum Hintergrund:

Das Symptom beschreibt eine starke Reduzierung der mimischen Ausdrucksfähigkeit, die das Gesicht unbewegt, maskenhaft und „hart & abweisend“ erscheinen lässt. Dieser Zustand ist eine direkte Folge der neurologischen Auswirkungen von Parkinson, die die feinmotorischen Bewegungen beeinträchtigen, welche für die Mimik zuständig sind.

@Esther Grote wird unten als Logopädin einige Tipps zu möglichen therapeutischen Ansätzen berichten. 

Warum dieses Symptom besonders fies für mich persönlich ist? Wir als Menschen und unsere Art der Kommunikation, sei es im privaten Umfeld mit Partner & Kindern, im Job mit Kunden & Kollegen und natürlich in allen Bereichen, lebt davon die Emotionen des Gegenübers lesen zu können. Wir bewerten schließlich immer auch, ob das gesprochene Wort auch zu dem passt, was emotional durch Gestik & Mimik ausgedrückt wird.

Im Gegensatz zu meinem 3-jährigen Sohn, der seinen Papa ja nicht anders kennt und dem es offensichtlich recht leicht fällt, mich richtig zu lesen, so ist das für Menschen, die einen schon lange kennen oder aber auch ganz neu kennen lernen umso schwieriger.

Langjährige Freunde, meine Familie und meine Frau vergleichen natürlich hier die alte Version mit dem neuen Modell, was manchmal sehr schmerzhaft ist, wenn Freude, Mitgefühl & Humor nur schwer abzulesen sind.  

Menschen, die mich neu kennenlernen, sind natürlich oft verwirrt, da Inhalt des gesprochenen Wortes oft nicht zur „griesgrämigen“ Optik passt. 

Daher möchte ich hier gerne das wiederholen, was ich zu meinem #ParkinsonOuting vor einigen Jahren bei uns im Team der intouch gesagt habe: „Auch wenn man es mir leider oft nicht mehr ansieht, aber der Kerl ist innen drin noch genauso verrückt, humorvoll und positiv wie Ihr mich auch kennen gelernt habt.“

Am 11. April ist World Parkinson’s Disease Day. Wenn Ihr Menschen mit Parkinson kennenlernt, dann denkt daran, dass die Optik täuschen kann und vertraut dem Wort.  Und ladet sie natürlich gerne zum nächsten Poker-Abend mit ein :- )  

@Esther, wie bewertest Du die Thematik und welche Therapien nutzt Du in Deinem Praxisalltag? 

Ich betreue in meinem logopädischen Alltag viele von Parkinson Betroffene. Die Symptome, die bei dieser Erkrankung in der Logopädie eine Rolle spielen sind vielfältig. 

Ich sehe bei meinen Patienten oft Probleme im Bereich der Atmung, des Stimmklangs, der Lautstärke, der Deutlichkeit, des Sprechtempos, des Schluckens und auch in der eingeschränkten Beweglichkeit der Gesichts- und Zungenmuskulatur. 

Diese Veränderungen haben Auswirkungen auf die unterschiedlichste Ebenen:

1. ich nenne das mal die „äußere Ebene“

Wie Marco schon schreibt: eine veränderte oder reduzierte Mimik erschwert die Kommunikation mit anderen ungemein. 

Unsere Mimik ist ein Kommunikationskanal. Man denke nur daran, was mit Pantomime alles ausgedrückt werden kann. Es ist so, dass uns schlicht und ergreifend dieser Kommunikationskanal genommen oder zumindest eingeschränkt wird. 

Das verändert natürlich unser äußeres Erscheinungsbild. Das bedeutet auch, dass unsere Gesprächspartner nicht die natürlichen mimischen Bewegungen empfangen, um zu verstehen, was wir ausdrücken wollen. 

Das aber hat für den Sprecher/ Sender einen erheblichen negativen Effekt. Der Betroffene muss kompensieren und viel mehr Energie für sein Sprechen und seine Verständlichkeit aufbringen. Und das bringt uns zur

2. „innere Ebenen“

Das sind all die Ebenen, die ich oben schon erwähnt habe, die beim Parkinson Probleme bereiten können: 

Die Stimme muss stärker belastet werden. Dadurch wird sie schneller heiser oder ermüdet schneller. 

In der Folge kommt die Atmung schnell aus dem Rhythmus und man kommt leicht in eine unökonomische Hochatmung. 

Das Öffnen des Kiefers findet gegen den „Widerstand“ der festen Gesichtsmuskulatur statt. Das ist sehr anstrengend und meist öffnet sich der Kiefer dann nur minimal beim Sprechen. 

Und um das auch noch zu erwähnen, das Kauen und Schlucken wird deutlich mühsamer. Die Nahrungsaufnahme wird erschwert und es kann leichter zu Verschlucken kommen.

Was also kann getan werden?

Ich habe einmal 5 Dinge als 1. Hilfe – Kit 😉 zusammengestellt:

  1. Mehrmals am Tag, ganz langsam und mit Bedacht, die Wangen, die Lippen, den Kiefer – also das ganze GESICHT und den Nacken für 4-5 Minuten auszustreichen. Dabei sollte ruhig und bewusst geatmet werden.

  2. Groß, d.h. mit weit geöffnetem Mund,  geräuschvoll GÄHNEN. Dabei den ganzen Körper Recken und Strecken.

  3. Meine „Übung“, die ich eigentlich FÜR ALLES und JEDEN und IMMER empfehle ist: SINGEN!!! Das kann man auch nur mit Silben wie „LA“ oder „LO“ machen. 

  4. Locker die Lippen flattern lassen.

  5. LACHEN: Das bedeutet ganz bewusst in dieses Gefühl gehen, sich etwas lustiges/ komisches vorstellen und ausgiebig laut anfangen zu lachen. Das ist vielleicht erstmal etwas fremd, aber mit ein bisschen Übung macht das viel Spaß und bringt das Gesicht und die Stimmung auf jeden Fall zum Strahlen.

WICHTIG: bei Symptomen, wie ich sie oben beschrieben habe, ist es auf jeden Fall sinnvoll, logopädische Behandlung in Anspruch zu nehmen. Dort kümmern sich die Profis um diese Probleme.

#facePD

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